Rektor Johannes Wessels und Oberbürgermeister Markus Lewe stellten sich Diskussion über den Musik-Campus

„Wir dürfen diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen“

„Kommen Sie mit uns ins Gespräch – stellen Sie Ihre Fragen“: Unter diesem Motto hatten der Rektor der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) Prof. Dr. Johannes Wessels, und der münstersche Oberbürgermeister Markus Lewe alle Bürger zu einer Diskussion über den geplanten Musik-Campus in die Aula des Schlosses eingeladen. Rund 120 Interessierte folgten der Einladung und sorgten für eine lebhafte Debatte. Wir haben für Sie den Abend und die besonders intensiv diskutierten Fragen und Antworten der beiden Gastgeber zusammengefasst.

Johannes Wessels stellt in seiner Begrüßung das Konzept der Musik-Campus-Pläne von Stadt und Universität in den Mittelpunkt. Mit diesem Projekt gebe es die einmalige Chance, die mangelhaften Rahmenbedingungen für die städtische Musikschule, das Sinfonieorchester und die Musikhochschule der WWU zu verbessern – durch den Bau eines Musik-Campus‘, in dem Profis und Laien optimale Bedingungen vorfinden sollen und der allen Musik-Schaffenden und -Liebhabern offenstehe. Neben einzelnen Räumen, die die drei Partner alleine nutzen, soll es einen zentralen und gemeinsam genutzten Konzertsaal geben, der eine bestmögliche Akustik bietet und den die Universität zusätzlich für große Wissenschaftskongresse nutzen will. Die Universität habe bereits die Zusage des Landes Nordrhein-Westfalen für den Bau einer neuen Musikhochschule und verfüge mit dem Gelände der ehemaligen Pharmazie an der Hittorfstraße über einen geeigneten Standort, um ein Projekt wie den Musik-Campus mit dieser Größe und diesem Anspruch zu verwirklichen. Diese finanziellen Zusagen und Rahmenbedingungen würde die WWU als Teil eines gemeinsamen Projekts beisteuern – ein zusammen genutzter Musik-Campus sei für alle Partner und Bürger allemal besser als einzelne „Insellösungen“ an mehreren Standorten.

Oberbürgermeister Markus Lewe hob vor allem den verbindenden Charakter von Musik und die Bedeutung von Musik und Kreativität für die Gesellschaft hervor. Auch die Stadt müsse mittelfristig in die Infrastruktur zugunsten der Musik in Münster investieren, zu der auch die freie Szene mit den vielen Chören und Orchestern zähle. Der Musik-Campus könne als „Transferraum“ eine wichtige Rolle spielen. Sinfonieorchester, Musikschule und Musikhochschule könnten auf einem Musik-Campus ihr Potenzial voll ausschöpfen. „Wir dürfen deswegen diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen“, betonte Markus Lewe. Zumal sowohl das Land Nordrhein-Westfalen als auch der Bund das Projekt als hochattraktiv bewerteten und als mögliche Geldgeber zur Seite stünden – wodurch sich automatisch der städtische Anteil an der Gesamtfinanzierung verringern würde.

Frage: Wie möchten Sie erreichen, dass ganz Münster mit anpackt? Viele der bisherigen Veranstaltungen – wie die Auftaktveranstaltung zur Jubiläumswoche von „MünsterMusik“ – und auch die Werbung wirkten eher elitär und wenig bürgernah.

Markus Lewe: Der Eindruck täuscht. Musik ist nicht elitär, sondern vielfältig, weil sie aus vielen verschiedenen Akteuren und Genres besteht. Es gilt nun, mit dem Musik-Campus ein Haus zu schaffen, das diese Vielfalt unter einem Dach vereint. Dass wir in Münster viele Bürger für Projekte begeistern und mobilisieren können, zeigen zwei Beispiele. Vor einigen Jahren hat sich Münster als Kulturhauptstadt beworben. Die Resonanz und Bürgerbeteiligung war dabei enorm. An Pfingsten versammelten sich mehrere Tausend Bürger auf dem Prinzipalmarkt, um zusammen „Carmina Burana“ zu singen. Das war sehr beeindruckend und zeigt, welche Begeisterung wir mit Musik in Münster entfachen können. Für den Musik-Campus müssen wir die Stadtgesellschaft ebenso stark mobilisieren.

Johannes Wessels: Die Auftaktveranstaltung war meiner Wahrnehmung nach keineswegs elitär, sondern provozierend. Ich fand das sehr gelungen und interessant. Wichtiger ist aber etwas anderes: Die unterschiedlichen Akteure haben gemeinsam etwas auf die Beine stellen können, was jeder für sich alleine nicht geschafft hätte.

Frage: Soll die freie Szene ein Teil des Musik-Campus werden?

Markus Lewe: Selbstverständlich. Der Musik-Campus ist nicht nur ein Veranstaltungsort, sondern auch ein Ort für Produktionen, Proben und Experimente. Dabei spielt die freie Szene eine wichtige Rolle, weil sie viel Potenzial bietet – nicht nur für den Musik-Campus, sondern für die Kulturstrategie der Stadt insgesamt. Unser Ziel ist es, dass der Musik-Campus und die freie Szene komplementär wirken und sich nicht gegenseitig kannibalisieren.
Frage: Gibt es Entwürfe für das Gebäude und einen Vorschlag für den Standort, und wird es einen Kammer-Musiksaal geben?

Johannes Wessels: Es soll unter anderem einen großen Konzertsaal geben, eine Pop-Bühne, einen Probenraum für das Sinfonieorchester und natürlich auch einen Kammer-Musiksaal. Vor einigen Jahren haben wir für den bislang geplanten Standort an der Hittorfstraße einen studentischen Wettbewerb mit zwei Klassen der Münster School of Architecture ausgelobt, um ein Bild davon zu bekommen, ob ein Musik-Campus an dieser Stelle realistisch ist und wie er aussehen könnte. Die Entwürfe haben gezeigt, dass der Campus die Bedarfe erfüllen kann, ohne dabei langweilig zu sein. Bevor wir allerdings die Planungen konkretisieren, müssen wir die Finanzierung sicherstellen.

Frage: Wären andere Standorte nicht besser als die etwas abseitig gelegene Hittorfstraße – wäre das Areal um das Schloss nicht die bessere Alternative?

Johannes Wessels: Es gibt kein geeigneteres Projekt als den Musik-Campus, um die Gebäudekomplexe der WWU innerhalb und außerhalb des Rings miteinander zu verbinden, weil sich dadurch die Wegebeziehungen ändern werden. Über Areale, die uns nicht gehören, kann ich im Übrigen nichts sagen, weil sie uns nicht gehören. Darüber können wir uns keine Gedanken machen.

Markus Lewe: Wenn Sie die Hittorfstraße als abseits gelegen empfinden – wie bewerten Sie dann das Hafenareal, das längst ausgesprochen gut angenommen wird? Wir sollten aufhören, immer so zu argumentieren, dass die Innenstadt sich auf das Areal innerhalb des Promenadenrings beschränkt. Die Stadt wird größer. Mit Projekten wie dem Musik-Campus haben wir zudem die Chance, aus bestimmten Arealen wirklich urbane und lebhafte Quartiere zu entwickeln.

Frage: Wie funktioniert die Finanzierung des Projekts, und wie wollen Sie sicherstellen, dass andere kulturelle Initiativen nicht vernachlässigt werden?

Johannes Wessels: Für unsere erste Kostenschätzung von 200 Millionen Euro haben wir die für Hochschulbauten übliche Kostenplanung zugrunde gelegt – damit haben wir in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht. Dabei handelt es sich um die Gesamtkosten und nicht um den städtischen Anteil. Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW wird den Neubau der Musikhochschule übernehmen, also einen Großteil dieser Kosten. Das tangiert die Stadt in keiner Weise. Hinzu kommt, dass die Flächen und damit auch die Kosten und die Betriebskosten des Musik-Campus‘ zwischen den Partnern aufgeteilt werden – beispielsweise die großen Säle. Diese Kosten werden genau aufgeteilt zwischen Stadt und Ministerium. Die Stadt wird natürlich nur den Teil übernehmen, der die Musikschule und das Sinfonieorchester betrifft.

Markus Lewe: Wir sind uns der Verantwortung bei der Finanzierung bewusst. Die Räume, die aktuell dem Sinfonieorchester und der Musikschule zur Verfügung stehen, sind nicht mehr zumutbar. Wir könnten natürlich Ersatzinvestitionen tätigen, um die Situation zu verbessern. Das wäre aber nur Stückwerk. Außerdem haben wir vor einigen Jahren die Alliance for Science ins Leben gerufen. Dieses Projekt ist eine ideale Gelegenheit, den Verpflichtungen dieser Allianz nachzukommen. Wir müssen an die Zukunft der Stadt denken, an Münster von übermorgen. Wenn wir ein Sinfonieorchester und eine Westfälische Schule für Musik wollen, müssen wir sie auch adäquat beheimaten.

Frage: Wieso wird der Musik-Campus nicht mit anderen Bildungseinrichtungen wie der Volkshochschule (VHS) verknüpft, um alle Bevölkerungsschichten und Milieus miteinzubeziehen? Wäre das nicht eine progressivere Idee?

Johannes Wessels: Unser Konzept, das wir über viele Jahre entwickelt haben, nimmt alle Musikschaffenden in den Blick. Für mich erschließt sich nicht, was der Mehrwert für die Kulturarbeit wäre, wenn man andere Bildungseinrichtungen miteinbezieht. Dann könnten wir beispielsweise, überspitzt gesagt, auch Sportvereine miteinbeziehen. Bei der Musikhochschule treffen zudem Musizierende und Studierende in der Lehrerausbildung, die eine Multiplikatorenfunktion in die Gesellschaft haben, zusammen.

Markus Lewe: Es gibt mehrere Konzeptideen – jedes hat Vor- und Nachteile. Wir haben uns dafür entschieden, uns auf die Musik zu fokussieren und die Synergien zwischen den drei Institutionen zu nutzen. Ein Modell, bei dem die VHS integriert würde, wäre zudem wahrscheinlich nur mit einer eigenen Trägerschaft und nicht in Kooperation mit der Hochschule möglich. Das wiederum wäre eine zu große finanzielle Herausforderung für die Stadt.

Frage: Warum hat man sich von Beginn an auf den Standort festgelegt und beispielsweise nicht die Eignung des Hörsterplatzes geprüft?

Johannes Wessels: Vom Schloss bis zur Hittorfstraße sind es zu Fuß fünf Minuten. Ich halte es daher für abwegig, diesen möglichen Standort als nicht zentrumsnah genug zu bezeichnen. Zudem würde der Schlossgarten belebt und bereichert. Im Übrigen wird – das ist meine Prognose – die Innenstadt in 20 Jahren verkehrsfrei sein.

Markus Lewe: Wir haben sehr wohl auch die Eignung des Hörsterplatzes geprüft. Die Autoren mehrerer Gutachten haben allerdings belegt, dass dieser Standort die Anforderungen für das Konzept des Musik-Campus nicht erfüllt.

Frage: Ist das Projekt wirklich realistisch? Schließlich gab es schon viele Großprojekte, die in Münster gescheitert sind. Zudem gibt es aktuell weitere Großprojekte wie beispielsweise das Preußenstadion, die ebenfalls Zeit in Anspruch nehmen und viel Geld kosten werden.

Markus Lewe: Sie haben Recht, es wird Zeit. Die Frage der Realisierbarkeit ist letztendlich eine Frage der Entscheidungsfähigkeit. Die WWU hat sich schon entschieden. Wenn wir allerdings noch einige Jahre weiter über den Standort diskutieren, verlieren wir die WWU als Kooperationspartner und müssen uns neue Konzepte überlegen. Der zeitliche Korridor für dieses Projekt ist relativ schmal. Wir müssen uns deswegen in den kommenden Monaten festlegen.

Statements

Ein Anwohner der Hittorfstraße kritisiert die „Bedenkenträger“ und Vorredner im Saal, die sich vor allem mit der Standort-Thematik beschäftigten. Er vertritt die Meinung, dass Münster als Oberzentrum ein Projekt dieser Größenordnung brauche. Er betont, dass ein allzu provinzielles Denken schon viele Großprojekte verhindert habe und die Gefahr bestehe, dass auch der Musik-Campus daran scheitern könnte.

Mehrere Redner unterstützen diese Position, andere formulieren Widerspruch. Ein weiterer Redner bittet darum, die freie Szene weiter und stärker in den Dialog einzubinden.

Rektor Johannes Wessels weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ein Dialog mit einer heterogenen Szene nicht immer möglich sei, da es nicht den einen Ansprechpartner in der freien Szene gebe. Er forderte alle Vertreter der freien Szene auf, sich aktiv am Dialog zu beteiligen. Bei erfolgreicher Umsetzung des Projekts ergäben sich außerdem freie Kapazitäten für alle Musikschaffenden in Münster.

Eine Vertreterin des Fördervereins der städtischen Musikschule hebt hervor, dass sowohl sie als auch der Leiter des Sinfonieorchesters, die Leiterin der Musikschule und der Dekan der Musikhochschule das Projekt begrüßten – dies sei aktuell die einzig naheliegende und realisierbare Lösung. Die Beteiligung der Musikschule mit über 7.000 Schülern garantiere außerdem dafür, dass der Campus kein Eliten-Projekt wird, da alle sozialen Schichten vertreten seien.